Gerundium und Gerundivum – Warum sind sie so schwer zu verstehen?

Gerundium und Gerundivum – Warum sind sie so schwer zu verstehen?

Veröffentlicht am: 09.08.2025 Autor: Francesca S.

Gerundium und Gerundivum – Warum sind sie so schwer zu verstehen?

Wer Latein lernt, stößt früher oder später auf zwei ganz besondere grammatische Erscheinungen: das Gerundium und das Gerundivum. Die beiden sehen nicht nur ähnlich aus, sie verhalten sich auch ähnlich – aber nicht gleich. Genau das macht sie zu einem der gefürchtetsten Kapitel im Lateinunterricht. Doch was steckt wirklich dahinter? Und warum haben so viele Lernende Probleme damit

1. Was ist das Gerundium?

Das Gerundium ist ein substantivierter Verbalsatz – quasi ein „Verb als Substantiv“. Es wird nur im Singular und nur in vier Kasus (Genitiv, Dativ, Akkusativ, Ablativ) verwendet. Es gibt kein Nominativ, weil das Verb selbst ja schon eine Handlung beschreibt – und nicht der „Täter“ dieser Handlung ist. Dativ kommt nicht so häufig vor.

Beispiel:

Legendi causa libros emit.

(Er kauft Bücher zum Lesen.)

„Legendi“ ist hier ein Gerundium im Genitiv. Es bedeutet „des Lesens“ – aber der Satz meint eigentlich: „Er kauft Bücher zum Lesen.“

2. Was ist das Gerundivum?

Das Gerundivum ist ein Adjektiv, das eine Notwendigkeit oder Verpflichtung ausdrückt. Es wird nach Kasus, Numerus und Genus angepasst – genau wie Adjektive eben.

Beispiel:

Liber legendus est.

(Das Buch muss gelesen werden.)

„Legendus“ ist hier ein Gerundivum – und es sagt: Es besteht eine Verpflichtung, dass dieses Buch gelesen wird.

3. Warum ist das so kompliziert?

Hier sind einige Gründe, warum viele beim Gerundium und Gerundivum aussteigen:

- Sie sehen fast gleich aus

Gerundium: legendī (des Lesens)

Gerundivum: legendus, -a, -um (zu lesend)

 Ohne Kontext kann man kaum erkennen, worum es sich handelt.

- Beide drücken ähnliche Dinge aus – aber auf unterschiedliche Weise

- Beide Konstruktionen beziehen sich auf Handlungen – aber:

Das Gerundium macht die Handlung selbst zum Substantiv.

Das Gerundivum beschreibt ein Objekt, das in der Handlung steckt – meist mit dem Nebengedanken „es muss gemacht werden“.

- Im Lateinischen ersetzt man das Gerundium oft durch ein Gerundivum

Sprachen wie Englisch oder Deutsch nutzen oft nur das Gerundium:

„The art of reading“ → „Die Kunst des Lesens“

Im Lateinischen sagt man aber lieber:

Ars legendi libros → kann man sagen (Gerundium)

Ars librorum legendorum → ist eleganter und idiomatischer (Gerundivum!)

Das heißt: Lernende müssen umdenken. Nicht nur die Grammatik ist anders – auch die Denkweise ist eine andere.

- Man muss die Konstruktionen aktiv umwandeln können

Ein echter Stolperstein ist, dass man oft vom Gerundium zur Gerundivum-Konstruktion umformen muss – oder umgekehrt.

Beispiel:

Gerundium: ad legendum libros

Gerundivum: ad libros legendos


→ Gleiche Bedeutung, aber grammatikalisch ganz unterschiedlich.


4. Fazit: Wie wird’s leichter?

Üben, umformen, vergleichen

Nur durch ständiges Üben lernt man, wie aus ad legendum libros → ad libros legendos wird.

Ruhig bleiben

Wenn du denkst: „Das ist zu kompliziert!“ – bist du nicht allein. Auch viele Studierende in der Uni kämpfen damit. Der Schlüssel liegt im Dranbleiben und im Vergleichen von Beispielen.

Letztes Wort

Gerundium und Gerundivum wirken erstmal wie zwei Seiten derselben Medaille – aber bei genauerem Hinsehen sind sie zwei unterschiedliche Werkzeuge. Beide können unglaublich präzise sein, aber nur, wenn man sie richtig einsetzt.

Nicht entmutigen lassen – irgendwann klickt es. Und dann wirst du merken, wie elegant Latein eigentlich ist.

Francesca