Tutoren Interview: Torsten R.

Tutoren Interview: Torsten R.

Veröffentlicht am: 10.02.2017 Autor: Torsten R.

Auf meet'n'learn bieten wir einen Blick hinter die Kulissen und stellen erfahrene Nachhilfelehrerinnen und Nachhilfelehrer vor. Vielleicht inspirieren ihre Geschichten und bringen auch dich dazu, dein Wissen mit anderen zu Teilen.

Im Tutoren Interview: Torsten R.

Warum hast du dich entschieden Nachhilfe zu geben? Wie lange gibst du schon Nachhilfe?
Ich hatte schon früh eine mathematische Hochbegabung, war im Schulstoff immer mehrere Schuljahre voraus und wollte anderen Schülern helfen. Nicht nur (aber auch) aus Altruität, sondern vor allem aus einer Hingebung zur Mathematik, von der ich denke, dass sie auch andere Schüler spüren könnten, hätten sie keine fachlichen Probleme. Kurz gesagt: ich denke, die Mathematik wäre nicht so "gehasst", wäre sie komplett verstanden worden.
Nachhilfe gebe ich (zumindest in Mathematik) bereits seit der fünften Klasse, also bald seit 15 Jahren.

Wo hast du studiert bzw. wo studierst du? Hast du die gleichen Fächer studiert, in denen du auch die Nachhilfe gibst?
Ich studiere Informatik (Schwerpunkt: Theoretische Informatik) an der RWTH Aachen. Damit studiere ich offiziell nicht mein Haupt-Nachhilfefach, wer sich jedoch mit theoretischer Informatik auskennt, der weiß, dass es sich fast ausschließlich um mathematische Inhalte handelt, sehr komplexe sogar. Englisch studiere ich zwar nicht, doch durch bilinguale Erziehung beherrsche ich es so gut wie Deutsch und kann hier daher auch Nachhilfe geben, auch wenn ich die Mathematik vor Englisch und Informatik als Lehrfach bevorzuge.

Möchtest du langfristig Nachhilfe geben?
Ich würde, wenn ich könnte, langfristig Nachhilfe geben, wenigstens als Nebenjob. Ich fürchte aber leider, dass ich nach Studienabschluss kaum noch Zeit dafür haben werde, und stattdessen mit einem Vollzeitjob beschäftigt bin. Wenn es sich aber irgendwie machen lässt, werde ich nach wie vor als Nachhilfelehrer aushelfen, wenn auch bei weitem nicht so häufig wie momentan.

Womit brauchen die meisten Schüler Hilfe? In welchen Fächern gibst du Nachhilfe? Welches Thema ist für die Schüler am meisten problematisch?
Ich gebe Nachhilfe in Mathematik, Informatik und Englisch (von der Häufigkeit her in dieser Reihenfolge, mittlerweile fast nur Mathematik). Im Englischen teilt es sich in sprachliche und inhaltliche Probleme, was sich aus der Natur des Fachs ergibt. Die einen haben Probleme mit Grammatik oder ihnen fehlt ein "Feeling" für die Englische Sprache. Die anderen haben generelle Probleme bei der Methodik der Analyse von z.B. Gedichten oder Sachtexten. Diese Schüler haben solche Probleme dann aber meistens auch in Deutsch. Die sprachliche Komponente kann leicht behoben werden, indem man einfach anfängt, z.B. seine Lieblingsserie auf Englisch statt auf Deutsch zu schauen. Man lernt eine Sprache eben vielleicht nicht effizienter, aber deutlich schneller / effektiver, wenn man sie oft hört oder sogar selbst spricht. In der Mathematik ist es ganz ähnlich: das "Feeling" für die Mathematik geht Schülern schnell früh verloren. Die mathematische Denkweise. Ist diese einmal weg, verlieren die Schüler schnell den Anschluss, dann die Motivation, und durch eine Art Schneeball-Effekt wird die Situation dann auch normalerweise nicht mehr von alleine besser, man muss den Kreis durchbrechen. Viele Schüler kommen mit der Methodik klar, können so Aufgaben von bestimmten, durchaus "komplexen", Aufgabentypen lösen, haben aber bei Fragen wie "was bedeutet dieser Term dort?" oder bei der Modellierung einer nur ein wenig anders gestellten Aufgabe Probleme. Kurz gesagt: Hauptprobleme liegen in Modellierung und bei der allgemeinen mathematischen Denkweise, weniger in der Rechenmethodik.
Spezielle Themen, die problematisch sind, wären zum Beispiel die Stochastik aufgrund der abstrakteren Denkweise, wenn es z.B. um stetige Zufallsverteilungen geht, oder aber Funktionsscharen. Hier fehlt häufig oben genanntes Gespür. Sind aber alles lösbare Probleme und es hat auch eigentlich bisher immer funktioniert, dieses Gespür zu entwickeln.

Braucht jeder Schüler eine individuelle Nachhilfe-Methode? Oder sind die meisten Schüler sehr ähnlich?
Sehr individuell. Natürlich sieht man im Laufe der Jahre viele Schüler, die sich gegenseitig ähneln, aber man kann immer deutliche Unterschiede feststellen. Daher braucht man auch individuelle Konzepte. Man muss abschätzen, was der Schüler versteht und was nicht und, woran es genau liegt, dass der Schüler etwas nicht versteht. Hilft vielleicht ein anderer Erklärungsansatz? Da wir nicht alle mathematische Genies sind, was vermutlich auch gut so ist, muss man sich ab und zu, aber nicht oft, damit abfinden, dass manche Schüler tatsächlich an ihre kognitiven Grenzen stoßen. Natürlich wären auch diese Grenzen überwindbar, aber nicht mit nur einer oder zwei Nachhilfestunden pro Woche, plus den Schulunterricht. Sobald man den Schüler kognitiv einschätzen kann, kann man dann ein gutes Verhältnis zwischen Theorie und Praxis abwägen. Ich habe manche Schüler, mit denen ich zum größten Teil Übungen durchrechne und andere, mit denen ich zum größten Teil Theorie mache. Und es funktioniert sehr, sehr gut. Eine gesunde und auf den Schüler abgestimmte Mischung ist hier meiner Meinung nach das Erfolgsrezept. Und ein wenig Abwechslung im Unterrichtskonzept kann auch nicht schaden.

Gab es eine Situation, in denen du dem Schüler nicht helfen konntest, den Lehrstoff zu verstehen?
Wie schon bei einer anderen Frage erwähnt, kommt es hin und wieder vor, dass ein Schüler an seine kognitiven Grenzen stößt (diese Grenzen können natürlich erweitert werden und sind nicht scharf gesetzt, aber ich spreche hier von momentanen Grenzen). Das kann passieren, wenn es sich um sehr weit fortgeschrittene Vorlesungsinhalte handelt (z.B. der Beweis von Fermats letztem Satz). Da kann man auch als noch so guter Nachhilfelehrer wenig machen, das Verständnis wird dann mit der Zeit kommen, wenn man sich (je nach Veranlagung) Wochen, Monate oder sogar Jahre mit dem Thema beschäftigt. Es kann aber auch passieren, dass der normale "Menschenverstand", sage ich mal etwas umgangssprachlich, nicht so sehr ausgeprägt ist. Wenn zum Beispiel ein Schüler nicht versteht, dass eins und eins in natürlicher Addition zwei ergibt, dann kann man da als Nachhilfelehrer wenig dran machen. Es gibt nicht umsonst Dyskalkulie-Therapie, die dafür zuständig ist. Diese wird eben nicht von Nachhilfelehrern durchgeführt. Hier ist die "angeborene arithmetische Maschine" im Menschen defekt, das kann passieren, ist auch kein Drama, es gibt ja schließlich computergestütztes Rechnen, jedoch führt dies (als ein Beispiel) zu einer der oben beschriebenen Situationen, wo man nicht helfen kann, weil die Verständnisdefizite zu grundlegend, quasi auf dem Fundament-Level entstanden sind.

Gibst du auch Online-Nachhilfe? Hast du schon Erfahrungen damit gesammelt?
Ja, ich gebe Nachhilfe per Skype, Teamviewer oder Android-Apps, je nach Maschine, auf der ich gerade online bin (ein Tablet bietet sich hier an, dann greife ich auf Screencast-Apps zurück).
Die Erfahrungen, die ich gemacht habe, sind sehr gut gewesen. Hervorgetreten sind vor allem zwei wichtige Punkte:
1) Online-Nachhilfe ist nicht für jeden Schüler gut geeignet, manchen Schülern gibt eine Person im gleichen Raum, eine authentische, menschliche Stimme, die nicht von einer Mikrofonmembran, Digitalisierung und Wiedergabe im Lautsprecher verzerrt wird, Augenkontakt beim Erklären etc. so etwas wie Sicherheit. Für diese Schüler halte ich Online-Nachhilfe für deutlich weniger geeignet. Meist handelt es sich hier um jüngere Schüler.
2) Wenn ein Schüler jedoch mit dem Online-Nachhilfekonzept zurecht kommt, d.h. wenn für diesen Schüler Punkt 1 nicht gilt, dann ist es ein sehr viel effizienteres Konzept als Face-to-Face-Nachhilfe. Die gesamte Session zeichne ich auf und lade sie in einen Ordner hoch, auf den nur der Schüler und ich Zugriff haben. So bleiben die gesamten Erklärungen erhalten und der Schüler kann sich den Stoff beliebig oft "erklären lassen", auch wenn ich nicht anwesend bin. Dies ist ähnlich wie ein Online-Tutorial, mit einem entscheidenden Unterschied: Online-Tutorials sind für die Schülermassen gedacht, nicht individualisiert. Über Skype kann ich trotz Distanz einen Schüler relativ akkurat einschätzen und die Erklärung individualisieren. Das ist ein bedeutender Unterschied. Ich empfehle Online-Unterricht aber v.a. wegen Punkt 1) älteren Schülern und Studenten, die die Lernmethoden und -motivation draufhaben und denen es "nur noch" um die Inhaltsvermittlung geht.


Hast du selber mal Nachhilfe bekommen? Wenn ja, in welchem Fach?
no

Was war die interessanteste Story, die dir beim Nachhilfe geben passiert ist?
Auf die Frage habe ich keine schnelle Antwort, ich müsste dafür noch einmal knapp 15 Jahre Nachhilfe Revue passieren lassen. Man bekommt letztendlich viel von den Schülern und ihren Familien mit, sehr glückliche, lustige, aber auch sehr traurige und sogar tragische Vorkommnisse sind mit dabei. Vielleicht eine von den etwas lustigeren Geschichten, die mir während des Schreibens der ersten Zeilen hier eingefallen ist (ich weiß gar nicht, warum sie mir nicht sofort einfiel): als Informatiker habe ich (natürlich!) eine Leidenschaft für Videospiele. Gleichzeitig habe ich aufgrund meiner Hochbegabung oft gleichaltrigen oder sogar älteren Schülern Nachhilfe gegeben. Dabei redet man ja hin und wieder auch über seinen Alltag. Bei einem Schüler ist tatsächlich dabei herausgekommen, dass wir uns bereits vorher über die Spiel-Community eines Online-Videospiels kannten. Die Welt ist zwar klein, aber das war doch ein außergewöhnlicher Zufall, da im Spiel vollkommen zufällig ist, wo die Mitspieler sich zurzeit aufhalten, sei es Amerika, Südost-Asien oder eben Aachen!